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UnivisionGovernance - AI-generiertes Symbolbild - 11

Das UG 2002, ein großer Wurf?

Blogbeitrag von Martin Gerzabek, Univer­sität für Boden­kultur Wien und Christian Doppler Forschungs­ge­sell­schaft

Im Jahr 2022 feierte das Univer­si­täts­gesetz 2002 sein 20-jähriges Jubiläum. Dieses war ja auch Anlass zu mehreren Veran­stal­tungen und Diskus­sionen. Wie hat sich das UG aus meiner persön­lichen Sicht bewährt? Tatsächlich ist es nicht ganz einfach, diese Frage aus einer 20-jährigen Perspektive zu beant­worten, ist doch der Geset­zestext nach 37 Novellen bei weitem nicht mehr ident mit der Erstfassung. Aus meiner Sicht war das UG 2002, das ich ja die Ehre hatte, ab 2003 bis 2018 als Rekto­rats­mit­glied der BOKU und ab 2019 als Univer­si­tätsrat mit-umsetzen zu dürfen, sicherlich ein großer Wurf. Nicht nur, dass die Univer­si­täten deutlich mehr Autonomie erlangten, wurde auch die Gover­nance Struktur völlig neu gedacht – nicht zur Freude aller Univer­si­täts­an­ge­hö­rigen und auch nicht aller Kooperationspartner*innen in der Wirtschaft. Ohne Zweifel wurde aber die Möglichkeit der Moder­ni­sierung der Univer­si­täten in allen Bereichen, sowie aktiv Strategien zu entwi­ckeln und diese dann auch umzusetzen, stark befördert. Tatsächlich musste das gesamte Univer­si­täts­ma­nagement völlig neu gedacht und in weiterer Folge neu aufge­stellt werden, u.a. auch, um den vermehrten Aufgaben und der wesentlich größeren internen Verant­wortung gerecht zu werden. Die Liste der weitrei­chenden Verän­de­rungen in den letzten 20 Jahren könnte hier noch fortge­führt werden. Ich möchte an dieser Stelle aber einzelne Punkte reflek­tieren, was die Auswir­kungen all dieser Änderungen und Entwick­lungen auf die Insti­tution Univer­sität und deren Angehö­rigen war und ist.

Die „gläserne“ Univer­sität und ihre Moneta­ri­sierung

Tatsächlich sehe ich die durch die neue Gover­nance geschaffene Trans­parenz als die größte Änderung und wahrscheinlich auch jene mit weit reichenden Auswir­kungen. Die Univer­sität wurde gläsern, wie auch die wissen­schaftlich tätigen Univer­si­täts­an­ge­hö­rigen. Welche Uni hat die höchsten Dritt­mit­te­lein­wer­bungen pro Professur, die meisten Publi­ka­tionen, die meisten Gradu­ie­rungen etc.? Die Trans­parenz in Kombi­nation mit der zunehmend stärker regulierten, bzw. Indika­toren-abhän­gigen Budget­vergabe führte zwangs­läufig zu einer Moneta­ri­sierung der Insti­tution Univer­sität. Dies hatte und hat auch Auswir­kungen auf die Mittel­ver­teilung zwischen Univer­si­täten, die dadurch noch mehr zu konkur­rie­renden Insti­tu­tionen wurden. Diese Moneta­ri­sierung musste – ebenfalls zwangs­läufig – auch innerhalb der Univer­sität umgesetzt werden. Gerade dies ist und war eine schwierige Aufgabe, da die Wissen­schafts­dis­zi­plinen durchaus nicht gut vergleichbar sind, wenn es um Leistungs­arten und die damit verbun­denen Kennzahlen geht. Bestimmte Wissen­schafts­zweige, die oft große gesell­schaft­liche Bedeutung haben, aber nicht die großen Impact­fak­toren bei den Publi­ka­tionen aufweisen können, kamen unter Druck. Diese Problem­stellung verschärfte sich eher noch im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte. Warum? Nicht nur, dass die Leistungs­ver­ein­ba­rungen zwischen dem Wissen­schafts­mi­nis­terium (bzw. wie es auch immer hieß im Laufe der Zeit – geneh­migen Sie mir daher bitte diese Verkürzung) und den Univer­si­täten immer detail­reicher ausfielen und mit der Überprü­fungs­not­wen­digkeit von manchmal 100 oder mehr Maßnahmen einen enormen Dokumen­ta­tions- und Recht­fer­ti­gungs­aufwand nach sich zogen, wurden gleich­zeitig die finan­zi­ellen Sankti­ons­me­cha­nismen bei Nicht­er­reichen von Zielen immer genauer gefasst. Gerade in der jetzigen LV-Periode kämpfen viele Unis in Öster­reich mit poten­zi­ellen Rückzah­lungen. Dabei sind die Indika­toren -. vor allem im Bereich der Lehre – nur sehr schwer von den Unis selbst zu steuern – und dies vor allem nicht kurzfristig. Die demogra­phische Entwicklung einer­seits und die indivi­duelle Entscheidung junger Menschen für bestimmte Studien sind von den Unis nicht wirklich beein­flussbar. Hier erwarte ich mir weitere Anpas­sungen im recht­lichen Rahmen.

Die Schwie­rigkeit einer „triangle amoureux“

Ein zweiter großer Bereich neben der Indika­toren-basierten Steuerung ist sicherlich die Struktur der obersten Leitungs­organe. Schon im Privat­leben gestalten sich Dreier­be­zie­hungen meist recht schwierig – es kommt dabei auf die handelnden Personen an. Genauso ist das Verhältnis Univer­si­tätsrat – Rektorat – Senat zu sehen. Beispiele von Situa­tionen, in denen das Zusam­men­wirken nicht frikti­onsfrei war, sind ausrei­chend in den Boule­vard­medien zu finden. Nach außen hin ist das Rektorat (und in der Sicht der Öffent­lichkeit eigentlich zumeist die Rektorin/der Rektor) für fast alles verant­wortlich. Tatsächlich kommen dem Senat – nicht nur in der Lehre – eine große Bedeutung zu. Die Univer­si­tätsräte – eigentlich ein Kontroll­organ mit einigen strate­gi­schen Aufgaben, legen ihre Funktion genauso divers aus, wie die anderen Leitungs­organe. Besondere Reibungs­punkte treten zwischen Senaten und Rekto­raten insbe­sondere bei der Weiter­ent­wicklung der Lehre auf und zwischen Univer­si­täts­räten und Senaten bei der Bestellung der Rektorate. Genau in diesem Punkt wurde ja schon oftmals an den Schrauben der recht­lichen Rahmen­be­din­gungen geschraubt – die fünfköpfige Findungs­kom­mission zur Erstellung eines (aller­dings weitgehend unver­bind­lichen) Dreier­vor­schlages für die Wahl der Rektorin / des Rektors sei hier als jüngstes Beispiel genannt. Gründe, die 37 Novelle des UG nicht die letzte bleiben zu lassen gibt es sicherlich etliche.

Die Fragen, die zu disku­tieren wären sind nun, ob die Univer­si­täten in ihrer derzei­tigen Struktur den großen Heraus­for­de­rungen unserer Zeit gewachsen sind, ob z.B. der wissen­schaft­liche und gesell­schaft­liche Diskurs ausrei­chend möglich und die im Staats­grund­gesetz festge­schrie­benen – doch sehr umfas­senden – Freiheiten bei immer größeren adminis­tra­tiven Belas­tungen und immer umfang­reicher werdenden Kontroll­sys­temen noch in ausrei­chender Form gegeben sind. Werden die Univer­si­täten hoffentlich auch in der Zukunft die für die Gesell­schaft so notwen­digen Thinktanks sein und eine führende Rolle in der Lösung der großen Probleme der Erde – von Klima­wandel, gesell­schaft­lichen Wandel bis hin zu Biodi­ver­si­täts­krise einnehmen? Oder wird die Moneta­ri­sierung uns einen Strich durch die Rechnung machen?

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