Sina Westa
Department für Hochschulforschung an der Universität für Weiterbildung Krems (UWK).
Fast jede Universität hat sie, doch selten sucht man den Kontakt mit ihr aus freien Stücken, die Rechtsabteilung. Der Schritt sich mit einem Juristen auseinanderzusetzen, fällt häufig schwer. Oft geht es um Copyright, Patentangelegenheiten, Datenschutz, Plagiarism oder Arbeitsverträge, die nicht den aktuellen Richtlinien entsprechen – ein eher unangenehmes Thema, solange es sich nicht gerade um den Schutz der eigenen Entdeckung handelt. Zum Glück gibt es hier Expertinnen und Experten, die hilfreich (oder manchmal auch weniger hilfreich) unter die Arme greifen können. Doch spielt die “Jura” nicht auch eine tiefgreifendere Rolle für die akademische Welt, jenseits solcher Einzelfälle?
Für die Demokratie, das glauben wir zu wissen ist die Gewaltenteilung in Legislative, Executive und Judikative auf jeden Fall unerlässlich. Warum befassen wir uns also meist nur mit der Gesetzgebung und deren Umsetzung, wenn wir uns mit Hochschulgovernance befassen, aber fast nie (außer im Kreise der Juristen) mit der Judikative? Ist diese nicht prägend für das Geschehen an Universitäten? Sollten wir nicht allen ein wenig Juristinnen und Juristen in uns entdecken oder uns zumindest ein wenig mit dem Thema auseinandersetzen?
Aus meiner Perspektive verdient diese Frage ein klares JA als Antwort. Nur wer seine Rechte und Pflichten kennt, kann diese auch schützen und wahrnehmen, oder wie man etwas negativ schon den Kindern erzählt: “Unwissenheit schützt vor Strafe nicht”. Es geht hier aber weniger um den Schutz von individuellen Freiheiten wie zum Beispiel der akademischen Freiheit, die viele als unerlässlich für die freie Wissenschaft und Bildung erachten. Es geht vielmehr um die Definition von Konzepten, mit denen wir uns tagtäglich in der Hochschulforschung befassen. Bleiben wir beim Beispiel der akademischen Freiheit, diese ist sowohl in § 13 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, wie auch den Verfassungen vieler Länder u.a. Österreich verankert. Damit sollte der rechtliche Rahmen eigentlich geklärt sein und man könnte sich entspannt zurücklehnen. Bei näherer Betrachtung wird aber schnell klar, dass abstrakte Konzepte wie die akademische Freiheit zwar vom Gesetzgeber geschützt, aber nur selten klar definiert werden. In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bleibt die Aussage zur akademischen Freiheit zum Beispiel kurz und wenig präzise: “Kunst und Forschung sind frei. Die akademische Freiheit wird geachtet.” Wer hat nun aber die Macht, diese Konzepte zu definieren?
Oft sind es Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter, die im Streitfall fundamentale Freiheiten wie die akademische Freiheit definieren und von anderen Gesetzen abgrenzen. Ihre Einschätzung und Interpretation entscheiden also maßgeblich über die genaue Auslegung und damit die praktische Bedeutung solcher Konzepte, während wir diese Konzepte eher auf theoretischer Ebene diskutieren. Am Ende bleibt nun doch die Frage, sollten wir nicht öfter auch über Richterinnen und Richter (Juristinnen und Juristen) nachdenken, wenn wir diskutieren, welche “Stakeholder” wir in Diskussionen über die Zukunft der Universitäten und Hochschulen einbeziehen wollen?
Weiterführende Literatur:
Stachowiak-Kudła, M., Westa, S., Santos Botelho, C. et al. Academic Freedom as a Defensive Right. Hague J Rule Law 15, 161–190 (2023). https://doi.org/10.1007/s40803-022–00188‑4