UnivisionGovernance - AI-generiertes Symbolbild - 70

Von der Wichtigkeit und Unwich­tigkeit der Recht­spre­chung für die Zukunft der Univer­si­täten.

Sina Westa

Department für Hochschul­for­schung an der Univer­sität für Weiter­bildung Krems (UWK).

Fast jede Univer­sität hat sie, doch selten sucht man den Kontakt mit ihr aus freien Stücken, die Rechts­ab­teilung. Der Schritt sich mit einem Juristen ausein­an­der­zu­setzen, fällt häufig schwer. Oft geht es um Copyright, Paten­tan­ge­le­gen­heiten, Daten­schutz, Plagiarism oder Arbeits­ver­träge, die nicht den aktuellen Richt­linien entsprechen – ein eher unange­nehmes Thema, solange es sich nicht gerade um den Schutz der eigenen Entde­ckung handelt. Zum Glück gibt es hier Exper­tinnen und Experten, die hilfreich (oder manchmal auch weniger hilfreich) unter die Arme greifen können. Doch spielt die “Jura” nicht auch eine tiefgrei­fendere Rolle für die akade­mische Welt, jenseits solcher Einzel­fälle?

Für die Demokratie, das glauben wir zu wissen ist die Gewal­ten­teilung in Legis­lative, Executive und Judikative auf jeden Fall unerlässlich. Warum befassen wir uns also meist nur mit der Gesetz­gebung und deren Umsetzung, wenn wir uns mit Hochschul­go­ver­nance befassen, aber fast nie (außer im Kreise der Juristen) mit der Judikative? Ist diese nicht prägend für das Geschehen an Univer­si­täten? Sollten wir nicht allen ein wenig Juris­tinnen und Juristen in uns entdecken oder uns zumindest ein wenig mit dem Thema ausein­an­der­setzen?

Aus meiner Perspektive verdient diese Frage ein klares JA als Antwort. Nur wer seine Rechte und Pflichten kennt, kann diese auch schützen und wahrnehmen, oder wie man etwas negativ schon den Kindern erzählt: “Unwis­senheit schützt vor Strafe nicht”. Es geht hier aber weniger um den Schutz von indivi­du­ellen Freiheiten wie zum Beispiel der akade­mi­schen Freiheit, die viele als unerlässlich für die freie Wissen­schaft und Bildung erachten. Es geht vielmehr um die Definition von Konzepten, mit denen wir uns tagtäglich in der Hochschul­for­schung befassen. Bleiben wir beim Beispiel der akade­mi­schen Freiheit, diese ist sowohl in § 13 der Charta der Grund­rechte der Europäi­schen Union, wie auch den Verfas­sungen vieler Länder u.a. Öster­reich verankert. Damit sollte der recht­liche Rahmen eigentlich geklärt sein und man könnte sich entspannt zurück­lehnen. Bei näherer Betrachtung wird aber schnell klar, dass abstrakte Konzepte wie die akade­mische Freiheit zwar vom Gesetz­geber geschützt, aber nur selten klar definiert werden. In der Charta der Grund­rechte der Europäi­schen Union bleibt die Aussage zur akade­mi­schen Freiheit zum Beispiel kurz und wenig präzise: “Kunst und Forschung sind frei. Die akade­mische Freiheit wird geachtet.” Wer hat nun aber die Macht, diese Konzepte zu definieren?

Oft sind es Verfas­sungs­rich­te­rinnen und Verfas­sungs­richter, die im Streitfall funda­mentale Freiheiten wie die akade­mische Freiheit definieren und von anderen Gesetzen abgrenzen. Ihre Einschätzung und Inter­pre­tation entscheiden also maßgeblich über die genaue Auslegung und damit die praktische Bedeutung solcher Konzepte, während wir diese Konzepte eher auf theore­ti­scher Ebene disku­tieren. Am Ende bleibt nun doch die Frage, sollten wir nicht öfter auch über Richte­rinnen und Richter (Juris­tinnen und Juristen) nachdenken, wenn wir disku­tieren, welche “Stake­holder” wir in Diskus­sionen über die Zukunft der Univer­si­täten und Hochschulen einbe­ziehen wollen?

 

Weiter­füh­rende Literatur:

Stachowiak-Kudła, M., Westa, S., Santos Botelho, C. et al. Academic Freedom as a Defensive Right. Hague J Rule Law 15, 161–190 (2023). https://doi.org/10.1007/s40803-022–00188‑4

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